Dialog fortsetzen: Sozialverträgliche Umsiedlung mit eigenen Vorschlägen erkämpfen
Am 1. Juni 2012 besuchte der Wirtschaftsminister des Landes NRW, Herr Harry Voigtsberger, auf Anregung des grünen Ratsherren Hans Josef Dederichs aus Erkelenz – Kuckum die Stadt Erkelenz. Zu der von der Stadt Erkelenz auszurichtenden Veranstaltung waren neben Vertretern der Bürgerbeiräte Immerath, Borschemich und Keyenberg auch jeweils ein Vertreter der Ratsfraktionen eingeladen. Leider waren entgegen der eigentlichen Intention der Einladung keine Vertreter der kommenden Tagebaurandorte geladen worden. Die Probleme dieser Menschen erstmalig gegenüber der Landesregierung zu artikulieren, war ein Hauptziel der Einladung der Grünen gewesen.
In dem Gespräch mit dem Minister wurden dementsprechend insbesondere die Probleme der Umsiedler thematisiert. Durch die beiden grünen Ratsherren, Stephan Pütz (Umsiedler aus Immerath) und Hans Josef Dederichs (zukünftiger Umsiedler) wurden jedoch nicht nur Mängel im Verfahren aufgezeigt, sondern auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Umsiedler gemacht.
Ein Hauptthema war auch die Gestaltung der zukünftigen Umsiedlungsstandorte. Ökologie und generationengerechtes Wohnen sollten hierbei nach den Vorschlägen der Grünen in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft Umsiedlung Keyenberg, Kuckum, Unter-/Oberwestrich und Berverath in den Mittelpunkt gerückt werden. Minister Voigtsberger nahm diese Anregungen, die Hans Josef Dederichs den Anwesenden schriftlich mitgab, gerne auf und versprach, diese Vorschläge zu unterstützen.
Durch dieses Gespräch zeigte sich jedoch auch wieder, dass eine Schnittstelle zwischen Umsiedlern und Politik nur bei der grünen Fraktion besteht. Andere Fraktionen haben keine Sachkundigen Bürger für den Braunkohleausschuss der Stadt Erkelenz benannt, sondern besetzen diese Plätze lieber mit ihren eigenen Ratsvertretern.
Die Erkelenzer Grünen werden auch weiterhin auf der Seite der Umsiedler für eine sozialverträglichere Umsiedlung kämpfen.
Anbei sehen Sie die Vorschläge, die von Hans Josef Dederichs an Minister Voigtsberger übergeben wurden:
Als von der Umsiedlung für den Tagebau Garzweiler II betroffener Einwohner der Ortschaft Kuckum schlage ich vor, folgende Themen im Rahmen der Umsiedlungsplanung zu berücksichtigen:
1. Umsiedlungsplanung
- Vor Beginn der Planungen, das heißt im Fall der Umsiedlung unserer Heimatdörfer sofort, sollten Kennzahlen für eine „erfolgreiche“ Umsiedlung vorgeschrieben werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass der Erfolg einer Umsiedlung eine Interpretationssache ist. Zurzeit ist jede Umsiedlung per se ein Erfolg, unabhängig davon, ob die Umsiedler (und dazu zählen m. E. auch die Personen, die nicht an der Umsiedlung teilnehmen können oder wollen) mit dem Verlauf der Umsiedlung zufrieden sind oder nicht. So könnten z. B. die Teilnahme an der gemeinsamen Umsiedlung, die Bereitstellung von privatem Mietwohnraum oder auch die Betreuung der Umsiedler als Erfolgskennzahlen benannt werden. Die Feststellung der Erfüllung der Kennzahlen sollte nicht durch die Umsiedlungsbeteiligten, sondern durch einen neutralen Dienst (siehe auch Sozialverträglichkeit) durchgeführt werden.
- Der neue Standort unserer Heimatdörfer soll als CO²- freier Standort geplant werden. Eine Realisierung einer solchen Modelllösung könnte als „Leuchtturmprojekt“ im Rahmen von Umsiedlungsplanungen dienen. Fördermöglichkeiten sollten hierzu generiert werden, dem Wirtschaftsministerium sollte hierbei eine beratende und moderierende Rolle zufallen.
- Der neue Standort unserer Heimatdörfer soll zukunftsfähig sein. Der neue Standort wird für ca. 1100 Bewohner geplant, gemeinsam mit den Nachbardörfern werden auf jeden Fall dort mehr als 2000 Anwohner leben. Die Planung zum neuen Standort sollte daher auf die gezielte Ansiedlung von Gastronomie und Einzelhandel ausgerichtet werden. Mit einem auf den Umsiedlungsstandort zugeschnittenen Konzept sollten zunächst die bisherigen Gewerbetreibenden zu einer Wiedererrichtung ihrer Geschäfte motiviert werden. Gelingt dies nicht, sollten Investoren von außerhalb gefunden werden.
Zur Kompensierung der wegfallenden identitätsstiftenden Ortsmerkmale sollen die neuen Standorte ein mit den Bürgern und Vereinen abgestimmtes Konzept erarbeiten. Hierbei ist deutlich mehr Engagement und eine schnellere Umsetzung durch den Bergbautreibenden einzufordern.
2.Sozialverträglichkeit
- Die psychischen Belastungen für Umsiedler müssen reduziert werden. Hierzu ist eine professionelle Beratung und Betreuung eines eigenständigen Dienstes notwendig. Insbesondere ältere und wenig begüterte Umsiedler müssen intensiv betreut werden. Eine wie von Herrn Staatssekretär Baganz angegebene Betreuung in diesen Fällen durch den Bürgerbeirat, die Kirchen oder die Stadt Erkelenz findet nicht statt. Insbesondere die Betreuung durch die ehrenamtlichen Mitglieder des Bürgerbeirates ist völlig illusorisch, da diese Personen überhaupt nicht in diesen Aufgabenbereich eingearbeitet wurden.
Derzeit können nur „reiche“ Umsiedler der Umsiedlung gelassen entgehen sehen, wie dies durch den Umsiedler Lambert, Vorstand RWE, auch auf einer Veranstaltung in Immerath selbst vorgebracht wurde.
- Die Verhandlung zum Erwerb der Umsiedleranwesen durch RWE müssen transparenter und einfacher werden. Hier muss ein Gutachten eines vereidigten Gutachters solange hingenommen werden, wie keine begründeten Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz angeführt werden können. Lediglich eine für das RWE „zu hohe“ Sachwertermittlung dürfen für das RWE kein Grund sein, die Verhandlungen durch Gegengutachten und/oder langwierige Verhandlungen in die Länge zu ziehen.
3. Mieter/Vermieter
- Mieter und Mietverhältnisse sind ein wesentlicher Bestandteil der bisherigen Ortschaften. Bislang wird der Bau von Mietwohnungen jedoch nur in den Fällen gefördert, in denen sich die Mieter bereit erklären, über einen Zeitraum von mehreren Jahren weiterhin im Ort wohnen zu bleiben. Dies ist jedoch sehr häufig nicht mit der Lebensplanung von Mietern in Einklang zu bringen. Mieter sind im Gegensatz zu den meisten Umsiedlern, die einzelne Wohnungen oder Häuser vermieten, nicht ortsgebunden. Hier trägt derzeit alleine der Vermieter des Risiko, wenn sich ein Mieter umentscheidet und nicht an der gemeinsamen Umsiedlung teilnimmt, obwohl er dies vorher mit seinem Vermieter vereinbart hat. In einer noch zu fertigenden „Keyenberg- Erklärung“ sollte unter Einbeziehung von interessierten Vermietern eine Regelung gefunden werden, die auch in Zukunft sicherstellt, dass Vermieter weiterhin Wohnraum anbieten können. Die derzeitigen Regelungen greifen zu tief in das Vertragsrecht ein und verhindern, dass weiterhin Privatpersonen in Ein- oder Zweifamilienhäusern Wohnraum zur Miete anbieten können und der Ort durch wechselnde Mieter lebensfähig und attraktiv gestaltet werden kann.
- Es sind einheitliche Rahmenbedingungen für Kleingruppen wie z. B. Großtierhalter und/oder Photovoltaikanlagenbetreiber unter Einbeziehung dieser Personengruppen zu vereinbaren.
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