Halbzeitbilanz

Bei der letzten Kommunalwahl erreichten die Grünen ein Traumergebnis und zogen als zweitstärkste Fraktion in den Stadtrat ein. Nun ist es Zeit für eine Bilanz.

Mit den Grünen ist zu rechnen. Nach der letzten Kommunalwahl, aus der sie gestärkt hervorgingen, zählt ihre Ratsfraktion 14 Mitglieder. So viele, wie SPD, FDP, Freie Wähler und Bürgerpartei zusammen. Rückblickend sagt der Fraktionsvorsitzende Hans Josef Dederichs: „Der Start als zweitstärkste Fraktion war ruckelig. Unser gutes Abschneiden hat zunächst bei den anderen für Irritationen gesorgt. Mittlerweile nehmen wir erfreut zur Kenntnis, dass sich die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen normalisiert hat.“

Hitzeaktionsplan

Die Halbzeitbilanz der Grünen fällt durchaus positiv aus, auch wenn sie mit einigen Anträgen zunächst gegen Wände liefen. „Einige Themen bedürfen einer Initialzündung durch die Grünen“, sagt Dederichs. Zum Beispiel ein Hitzeaktionsplan, der angesichts des fortschreitenden Klimawandels für die Stadt unumgänglich ist. Mit einem entsprechenden Antrag scheiterten die Grünen im September 2022. Begründung: es werde zu viel Bürokratie erzeugt.

Das Thema bleibt in der Diskussion und wird derzeit von der Stadtverwaltung neu aufbereitet. „Wir unterstützen die Stadt bei ihrem Vorhaben“, sagt Dederichs. „Trotzdem wäre eine bessere Abstimmung zwischen Verwaltung und Ratsfraktionen wünschenswert.“

 

Parkdeck Ostpromenade

Auf der bei vielen Erkelenzern und Erkelenzerinnen unbeliebten Baustelle an der Ostpromenade entsteht eine moderne Mobilitäts-Station der Superlative. Auch sie wurde durch einen Antrag der Grünen im Rat angestoßen. Denn ihre Fertigstellung ist genau auf den Beginn der Arbeiten auf dem Markt abgestimmt. „So wird der Wegfall der Plätze auf dem Markt mehr als kompensiert“, sagt Dederichs. Die Diskussion um die Parkplätze am Markt wurde mit viel Leidenschaft und immer neuen Formeln „+X“ geführt. Der Wegfall von Parkplätzen bereitet vor allem dem Einzelhandel Sorgen. Diese Sorgen nehmen die Grünen ernst.

Deshalb handelten sie und brachten eine Neuplanung des Parkdecks an der Ostpromenade ins Spiel. Durch die frühzeitige Fertigstellung der Mobilitäts-Station an der Ostpromenade wird der Wegfall von Parkplätzen am Markt nicht mehr so schwer ins Gewicht fallen. „Unser Antrag sah die Beantragung von Fördermitteln vor“, erinnert sich Dederichs. „Dieser Weg hätte den Bau tatsächlich nur unnötig verzögert.“ Der grüne Antrag hat dazu geführt, dass die Möglichkeiten diskutiert und ausgelotet wurden. Das Ergebnis ist eine moderne und großzügige Lösung, für die keine Fördermittel beantragt wurden.

 

Verkehrswende, Lebensqualität und Barrierefreiheit

„Die Wende im Verkehr ist das grüne Thema“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beate Schirrmeister-Heinen. „Hier haben wir viel angestoßen und viele Anträge gestellt.“ Das Ziel grüner Politik ist es, die Lebensqualität für alle Menschen in der Innenstadt zu steigern. „Dazu gehört neben möglichst wenigen Autos in der Innenstadt vor allem Barrierefreiheit“, sagt Schirrmeister-Heinen. „Rund 9.000 Erkelenzerinnen und Erkelenzer sind auf die eine oder andere Weise von Handicaps und Beeinträchtigungen betroffen. Ihren Bedürfnissen müssen die Neuplanungen der Innenstadt auch gerecht werden.“ Die Grünen unterstützen die Arbeit des Teilhabekreises und des Erkelenzer Behindertenbeauftragten Andreas Ullmann.

 

Wir müssen die Innenstadt barrierefrei machen und die Möglichkeit zur Teilhabe schaffen.

Beate Schirrmeister-Heinen, stellv. Fraktionsvorsitzende der grünen Ratsfraktion.

 

Radvorrang-Straßen

Der Verkehr der Zukunft muss heute geplant werden. Die Grünen haben sich mit Konzepten eingebracht und Diskussionen angestoßen. Die CDU verstehe das Fahrrad immer noch eher als Freizeitspaß, ohne seine Funktion als Nahverkehrsmittel ausreichend zu fördern, betont Schirrmeister-Heinen. Ideen wie die Radvorrang-Straßen stoßen jedoch auch bei Anwohnern auf Kritik. „Ich kann den Widerspruch durchaus verstehen“, sagt Beate Schirrmeister-Heinen. „Doch wir müssen Lösungen finden, um den Radverkehr im Bewusstsein der Erkelenzer zu etablieren.“ Dies gilt auch für Tempo 30, wie es für die Tenholter Straße in der Diskussion ist. „Hier müssen belastbare Erfahrungswerte gesammelt werden.“ Deshalb wollen die Grünen einen Praxistest in Form eines zeitlich begrenzten Verkehrsversuchs anregen. So können Daten erhoben und ausgewertet werden, bevor das Thema erneut auf die Ratsagenda kommt.

 

Skatepark und Bürgerbeteiligung

Der neue Skatepark am Willy-Stein-Stadion ist ein Wahlkampfthema der Grünen, das sie erfolgreich anschieben konnten. Inga Menzel ist die jugendpolitische Sprecherin der Grünen. Sie hat sich sehr für das Thema engagiert und sieht auch im Zustandekommen der Planung ein gelungenes Beispiel für Bürgerbeteiligung: „Die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden mit ihren Ideen und Vorstellung einbezogen.“ Die Bereitschaft junger Menschen mitzugestalten, sei projektbezogen, weiß Menzel: „Eine parteibasierte Politik ist für sie eher unattraktiv. Trotzdem werden wir ihre Themen weiterhin aufnehmen und in die Politik einbringen.“ Akuten Handlungsbedarf für junge Menschen sieht Menzel vor allem bei den Themen Mobilität und ÖPNV.

 

Die Planung des Skateparks war ein gelungenes Beispiel von Bürgerbeteiligung.

Inga Menzel, Mitglied der grünen Ratsfraktion

 

Gesamtschule in Erkelenz

Ein Dauerbrenner grüner Schulpolitik, der auch weiterhin auf der Agenda steht. Beate Schirrmeister-Heinen sagt: „Die Gesamtschule ist ein wichtiger Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.“ Auch wenn die Anmeldezahlen an den Erkelenzer Schulen das Gegenteil suggerieren: Der Bedarf nach einer Gesamtschule in Erkelenz ist nach Ansicht der Grünen groß. Das Thema darf nicht in die ideologische Ecke geschoben werden. Vielmehr müsse den Bedürfnissen der Schüler und Schülerinnen und ihrer Familien genüge getragen werden. Die Anmeldezahlen Erkelenzer Schüler an den Gesamtschulen in Ratheim und Wassenberg sprechen eindeutig für eine akute Bedarfslage. „Eine zusätzliche Gesamtschule in Erkelenz würde die Gesamtschulen im Nordkreis bei den Anmeldungen deutlich entlasten“, ist sich die Pädagogin sicher.

 

Energiewende und neue Chancen für alle

„Wir müssen Erkelenz für den Klimawandel aufstellen“, sagt Inga Menzel auch im Namen der jungen Bürgerinnen und Bürger. „Der Klimawandel ist ein Generationen übergreifendes Thema.“ Handlungsbedarf sieht Menzel in Erkelenz auf jeden Fall: Immer noch holzt die Stadt jährlich mehr Bäume ab als sie nachpflanzt. Und das trotz des von den Grünen initiierten Bürgerwalds. „Wir werden weiter für Aufforstung im Stadtgebiet und die Schaffung von Blühflächen und Blühstreifen werben“, sagt Menzel. Darüber hinaus müssen weiterhin Anreize für private Initiativen geschaffen werden. Für eine Energiewende bedarf es neuer Windanlagen. „Hier wollen wir erreichen, dass neue Windenergieflächen auch die Möglichkeit für Bürger-Windräder vorhalten“, sagt Dederichs. „So können sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort an der Erzeugung ihres klimaneutralen Stroms beteiligen.“

 

Eigenes Profil

Derzeit werden die Grünen auf Bundes- und Landesebene kritisiert. Normalerweise müssen das auch die Kommunalpolitiker ausbaden. Sinkende Zustimmungswerte sind die Folge. Davon sehen sich die Erkelenzer Grünen verschont. „Ich denke, dass die Bürgerinnen und Bürger genau zu unterscheiden wissen“, sagt Dederichs. „Unsere Arbeit vor Ort wird als konstruktiv und positiv wahrgenommen, Kritik ist nie pauschal oder populistisch.“ Beim Thema Lützerath hatten die Erkelenzer Grünen schon früh klare Position bezogen: Wichtig ist der Erhalt der fünf Ortschaften und rund 20 Quadratkilometer Fläche. „Nach Jahren der Unsicherheit hatten die Menschen endlich eine klare und positive Perspektive verdient“, sagt Dederichs. „Wegen eines eher symbolischen Kampfes alles infrage zu stellen wäre nicht fair gewesen.“ Die Grünen wollen zukünftig noch stärker auf Kommunikation und Austausch setzen. Zum einen mit den Bürgerinnen und Bürgern, die für ihre Themen eine Stimme suchen. Zum anderen natürlich mit den anderen Fraktionen im Rat. „Wir sind offen für Argumente und Lösungen im Konsens“, sagt Dederichs. „Dabei führen wir unseren Kurs fort und setzen uns für ein lebenswertes und zukunftsorientiertes Erkelenz ein.“

 

Die Zusammenarbeit im Rat ist gut, Dialog und Austausch von Argumenten sind wieder möglich.

Hans Josef Dederichs, Fraktionssprecher der Grünen im Rat der Stadt Erkelenz

 

 

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